Der Kölner Stadt-Anzeiger berichtete im September dieses Jahres in seinem Presseportal:
Der ärztlicher Abrechnungsbetrug ist kein spezieller Straftatbestand. Abrechnungsbetrug ist eine Variante des allgemeinen Betrugs nach § 263 StGB. Der Abrechnungsbetrug erfasst alle Begehungsformen des Betrugs im Gesundheitswesen, bei denen Krankenhäuser, Ärzte oder andere Leistungserbringer bei der Abrechnung ihrer Vergütung nicht erbrachte oder nicht vollständig erbrachte Leistungen abrechnen. Die Varianten des ärztlichen Abrechnungsbetrugs sind vielfältig und umfassen tatsächlich oftmals eine schwer überschaubare Vielzahl von Fällen.
Eine spezielle Variante des Abrechnungsbetrugs ist die unberechtigte Abrechnung von Corona-Tests. Es gibt bereits erste strafrechtliche Urteile. So verurteilte das AG Essen im März 2022 eine Angeklagte zu drei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe wegen erfundener Corona-Testzentren wegen Betruges. Die strafrechtliche Erfassung des ärztlichen Abrechnungsbetrugs erfordert spezielle Kenntnisse des ärztlichen Abrechnungssystems mit Blick auf Vertragsärzte und Vertragsärztinnen und privatärztliche Verhältnisse. Der Betrug erfordert einen nachweisbaren Vorsatz. Fahrlässigkeit bei der Leistungsabrechnung ist nicht strafbar. Daher liegt eine große Chance der Strafverteidigung in der Frage, ob dem Arzt oder der Ärztin in den komplizierten Abrechnungsfragen überhaupt ein Täuschungsvorsatz nachgewiesen werden kann. Hier kommt es wie so oft im Leben und im Recht auf die Gestaltung des konkreten Einzelfalls an. Es bietet sich ein erhebliches Argumentationspotential für eine erfahrene Strafverteidigung.
Der ärztliche Abrechnungsbetrug ist nur ein Beispiel für das strafrechtliche Berufsrisiko ärztlichen Handelns.
Weitere Beispiele sind:
Körperverletzungsdelikte und Tötungsdelikte wegen Aufklärungs- oder ärztlichen Behandlungsfehlern (§§ 223 ff. und §§ 211 ff. StGB), insbesondere als Fahrlässigkeitsdelikte (§§ 222, 229 StGB)
Nur eine umfassende und wahrheitsgemäße Aufklärung der Patientin oder des Patienten durch den Arzt oder die Ärztin können zu einer rechtfertigenden Einwilligung in den körperlichen Eingriff führen. Maßstab: die §§ 630d und e BGB.
- Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht (§§ 203, 204 StGB)
- Sterbehilfe
- Schwangerschaftsabbruch
- Korruption im Gesundheitswesen (§§ 298a und b StGB)
- Ausstellung von Gesundheitszeugnissen (seit November 2021 Neufassung der §§ 277, 278 StGB)
Hinweis zu unserem Blogbeitrag v. 6.7.2022: Der BGH hat am 10.11.2022 – 5 StR 283/22 – entschieden, dass die Fälschung von Corona-Impfbescheinigungen auch nach früherem Recht strafbar ist = Urkundenfälschung nach § 267 StGB. Der § 277 in seiner alten Fassung StGB soll nach dieser Ansicht keine privilegierende Sperrwirkung haben.
Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz
Bereits die Einleitung und die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens durch Staatsanwaltschaft und Polizei wegen eines medizinstrafrechtlichen Sachverhalts haben erhebliche Folgen für die berufliche Tätigkeit und das berufliche Ansehen auf Ärzteseite.
Durchsuchungen der Arztpraxis und der Privatwohnung und die drohende Beschlagnahme von Patientenakten sind beruflich und persönlich sehr belastend. „Don’t panic“ – wenn morgens die Staatsanwaltschaft und die Polizei vor der Tür stehen und einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss vorweisen. Sie haben in jeder Phase des strafrechtlichen Verfahrens das Recht auf anwaltlichen Beistand = § 137 StPO. Rufen Sie umgehend (!!!) einen Strafverteidiger oder eine Strafverteidigerin an. Das darf Ihnen nicht verboten werden! Verhalten Sie sich höflich gegenüber den Staatsanwälten und Strafanwältinnen und den beteiligten Polizeikräften. Aber – wichtig – machen Sie keine inhaltlichen Angaben zu den erhobenen strafrechtlichen Vorwürfen. Schweigen Sie! Das ist Ihr Recht! Reden Sie zuerst mit Ihrem Anwalt oder Ihrer Anwältin!!!
Für eine erfolgreiche Strafverteidigung in medizinstrafrechtlichen Mandaten gilt der Blick nicht allein den strafrechtlichen Folgen. Ein besonderes Drohpotential haben außerstrafrechtliche Rechtsfolgen für die betroffenen Ärzte und Ärztinnen. Diese können die berufliche Existenz bedrohen. Im Fall einer strafrechtlichen Verurteilung drohen Geld- und Freiheitsstrafe. Diese gilt es zu vermeiden. Die Strafprozessordnung bietet viele Möglichkeiten der Einstellung eines Strafverfahrens, beispielsweise nach § 153a StPO mit der Auflage einer Geldzahlung. Die häufig tatsächlich und rechtlich komplizierten Rechtsfragen in medizinrechtlichen und medizinstrafrechtlichen Mandaten bieten erfahrenen Strafverteidigern und Strafverteidigerinnen Argumentationspotential gegenüber den Strafverfolgungsbehörden.
Es drohen aber auch zivilrechtliche Konsequenzen. Verletzte einer Straftat machen zivilrechtliche Ansprüche im Strafverfahren geltend machen. Hohe Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen drohen.
Es drohen zudem berufsrechtlichen Konsequenzen. Die Kassenärztliche Vereinigung kann ein vertragsärztliches Disziplinarverfahren oder ein Zulassungsentziehungsverfahren einleiten. Die Ärztekammer greift ein. Es droht ein Verfahren zur Entziehung der Approbation (§ 5 BÄO) durch die Approbationsbehörde. Trotzdem: Auch im Fall einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Abrechnungsbetrugs oder eines anderen strafrechtlichen Vorwurfs kann ein Widerruf der Approbation im Approbationsverfahren vermieden werden. Ein wesentlicher Aspekt ist der Inhalt des strafgerichtlichen Urteils. Hier liegen die Chancen einer effektiven und erfahrenen Strafverteidigung, die wir nutzen können. Und Durchsuchung und eine öffentliche Hauptverhandlung begleitet von einem Medieninteresse führen zu einer negativen Rufschädigung in der Öffentlichkeit und im Kollegenkreis. Die familiäre und private Belastung ist erheblich.
In jeder Phase des Verfahrens, beginnend mit dem Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft und Polizei bis zur öffentlichen Hauptverhandlung und in einem eventuellen Rechtsmittelverfahren, sollten Sie als betroffener Arzt oder betroffene Ärztin rechtzeitig erfahrene Strafverteidiger und Strafverteidigerinnen hinzuziehen. Es gilt, die strafrechtlichen und insbesondere auch die außerstrafrechtlichen, beruflichen Folgen zu vermeiden oder gering zu halten. Die vielfachen komplizierten Rechtsfragen im Strafrecht, Zivilrecht und im ärztlichen Berufsrecht bieten uns als Strafverteidiger eine erhebliche Einflussmöglichkeit in medizinstrafrechtlichen Mandaten gegenüber den Strafverfolgungsorganen und den Behörden und den ärztlichen Berufsinstitutionen.